1.

Was suchte er hier draußen überhaupt? Die Hitze schien förmlich betäuben zu wollen. Sein Mund war ausgedörrt, seine Trinkflasche beinhaltete nur noch ein, zwei Schluck kochend heißen Wassers.
Seit Tagen erfolgten zahlreiche Ãœbergriffe der Robots auf die arglosen Siedler. Niemand war mehr sicher.
Angefangen hatte es mit Arbeitsverweigerungen und eigenmächtig geänderten Lieferplänen und Terminen. Nun schreckten diese seelenlosen Blechbüchsen nicht einmal mehr vor Mord zurück.
‚Er‘ fühlte sich hochgradig unwohl. Am Horizont stiegen Staubsäulen auf. Sie kamen zurück. Jetzt schon?
In den letzten Wochen waren die Siedler zum Teil schon darauf angewiesen, sich ihre bestellten Materialien aus den Hauptlagern selbst zu beschaffen. Diese elenden Blechkreaturen hatten etwas entworfen, das sie Logistik nannten. Es lief aber alles darauf hinaus, daß sie schlicht unpünktlich und vollkommen ohne Prioritäten lieferten.
Vor Stunden hatte er sich aufgemacht, sich seine und einige andere Bestellungen abzuholen, die seit fast einem ganzen Tag fällig waren.
Als er vorhin auf den Konvoi gestapelter TraBot stieß, stoppte er diese und verlangte die Herausgabe seiner Ware. Statt menschlichem Willen zu gehorchen forderten die dämlichen Eisenmonster ihn auf, aus dem Weg zu treten, da es Lieferpläne des Logistikzentrums gäbe, die eingehalten werden müßten. Wäre er nicht geistesgegenwärtig beiseite gesprungen, hätten ihn diese unverschämten Maschinen vermutlich gnadenlos überrollt. Tonnenschwere Verkeilungen aus TraBot. Schwere Kompaktliefereinheiten nennen die das. Statt daß die TraBot einfach mit der Ware losliefen, sobald sie bestellt wurde, wie das schon immer funktioniert hatte… Nein, sie mußten erst akrobatische Ãœbungen veranstalten und sich dabei hoffnungslos ineinander verkeilen. Pure Zeitverschwendung.
Was seine Wut noch zusätzlich anheizte war sein Knöchel. Mit jedem Schritt rammte sich ein Pfeil stechenden Schmerzes von dort bis ins Gehirn. Offenbar war er bei seinem mutigen Sprung etwas unglücklich aufgekommen und hatte ihn sich lädiert.
Er hatte nicht die geringste Lust, sich nochmals dem schnell näherkommenden Koloß aus vielleicht zehn bis fünfzehn Transportrobotern zu stellen und ging bewußt aus dem Weg. Einige Schritte beiseite und es konnte ihm nichts passieren. Andernfalls…, er wagte nicht daran zu denken, würden sie ihn sicherlich ohne Zögern in den Staub stampfen. Unmittelbar am Wegesrand rutschte er dabei auf einigen verwitterten Asphaltresten aus, die die letzten hundert Jahre überlebt hatten. Als er sich abzufangen versuchte schien der aufwallende Schmerz ihm das Bewußtsein zu rauben. Kraftlos taumelnd fiel er auf den Weg zurück.
Sie kamen unaufhaltsam näher. Ein Hundert-Tonnen-Truck auf dem Heimweg.
Mag es geschehen, er hatte es nicht besser verdient. Sein Blick erhaschte nur Fetzen des staubgelben Himmels. Alles in dieser Einöde war gelb oder braun. Was suchte er hier draußen überhaupt? Unter gleißender Sonne. Welche Aussicht mochte angenehmer sein, langsam zu verbrennen unter diesem ungefilterten UV-Grill oder – platsch – überfahren von einem… technologischen Monstrum?
Warum hatte er eigentlich nicht auf dem Fahrzeug bestanden? Er müßte hier nicht liegen. Wollte man ihn vielleicht gar los sein? Einen Esser weniger in der Siedlung? Oder…
Sie würden ihn also überrollen und es war ausgestanden.
Ein letzter Versuch sich aufzustellen endete mit dem Absturz in die schwarzen, unendlichen Tiefen des Universums.
Das Rasseln des Kolosses nahm er nur noch wie von fern wahr, obwohl sie schon in unmittelbarer Nähe sein mußten. Dann verebbte auch dies im sanften Rauschen einer erlösenden Bewußtlosigkeit.

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