8. Kapitel

Aus der Nähe sah das „Häuschen“ so gar nicht platzsparend gebaut aus. Charly trat näher und besah sich Tür und Rahmen.
– Wo die hier bloß die Bimmel versteckt haben? … , Er sah weiter rund um die Pforte und entschloß sich, seine Ankunft mündlich kundzutun. – Haaallooo, haaaallooooo! , rief er, sich seiner schwachen Stimme im Vergleich zum Gebäude immer deutlicher bewußt werdend.
– Hallo, guckt mal, wer da guckt! , Es blieb alles still. Ein wenig nähertretend entdeckte Charly zwei Löwenköpfe mit Ringen im Maul, die so ganz zur Monströsität des ganzen Drumrum paßten.
– Ob die die Klingel da drunter versteckt haben? , Ächzend versuchte er einen der Ringe anzuheben. Nichts. Nur Tür. Enttäuscht ließ er ihn achtlos fallen. Dumpfes Grollen schien den ganzen Bau zu erschüttern. – Hoppla… , rief Charly erschreckt. Nichts tat sich.
– Ihr habt es ja so gewollt… , fluchte der Ankömmling und kramte sein Werkzeug au der Tasche. Als er gerade zur Schnellöffnung ansetzen wollte schwang ein Torflügel eine Handbreit auf. Wie peinlich. Charly setzte ein Grinsen auf. Ihm gegenüber zeigte sich ein ernstes, außerordentlich unfreundliches und abwesend erscheinendes Gesicht und musterte ihn kurz.
– Spielverderber , brummte Charly leise.
– Kenne ich nicht. , kam es knapp aus dem Spalt – der Dienstboteneingang ist hinten. ,
– Aber ich… , wollte Charly durch den sich schließenden Spalt rufen hörte aber nur noch ein „Hintenrum“ mit bösem Unterton bevor das Tor sich mit dumpfem Grollen schloß.
Charly zog los, in der Hoffnung, auf seinem Weg eine andere Pforte ins gelobte Reich zu entdecken, seinen Fußmarsch wenigstens mit Erfolg abschließen zu können. Denn abgeschlossen fand er bisher nur sein neues Heim. Eigentlich wäre das ja nicht das eigentliche Problem, nur gedachte er nicht, wieder mit gezücktem Werkzeug vor dann schon offener Tür zu stehen. Er fand letztlich eine und klopfte. Als geöffnet wurde hatte er aber wieder keine Chance zum Eintreten, zumal der Eingang völlig durch die ihm Öffnende versperrt wurde. Sie blickte irgendwie gutmütig, machte aber keinerlei Anstalten, den Eingang freizugeben. Einen Kopf größer als er und bald ebenso breit wie hoch blockierte sie nicht nur den Eingang sondern auch seinen Mut, sich einfach vorbeizudrängen.
– Was wünschen Sie? , fragte sie mit warmer Altstimme.
– Ich möchte gern rein! , sagte Charly mit größter Selbstverständlichkeit des Hausherrn.
– Ho, ho , gluckerte es irgendwo in der Barrikade ohne den geringsten Erfolg zu zeigen. – Worum geht es denn, wir haben nichts bestellt und kaufen auch nichts. Außerdem haben wir keine Zeit, da der neue Hausherr jeden Moment ankommt. , Sie wollte die Tür wieder schließen.
– Das trifft sich prächtig, der bin ich nämlich… , Ein warmes und herzliches Lachen unterbrach ihn.
Nun verderben mochte er es sich mit dieser Gestalt nicht unbedingt. Ein gewisses unbehagliches Gefühl sagte ihm, daß sie ihn möglicherweise ohne es zu wollen ernstlich verletzen konnte. Er entschloß sich darum es mit ihr noch mal im Besten zu versuchen, bevor es nur noch im Guten ging.
– Ich wohne nämlich hier, wenn sie verstehen… , Das Donnern und Glucksen schwoll erheblich an. Nun das reichte wohl nicht zum Ãœberzeugen. Sie machte zwar einen netten Eindruck, aber bisher hatte Charly nur Vertreter des weiblichen Geschlechts kennengelernt, bei denen ihn nicht nur der erste Eindruck betrogen hatte.
– Gute Frau, ICH bin der neue Chef hier. Ich bin… , weiter kam er nicht. Statt Sesam-Öffne-Dich drang ihm nur schwer unterdrücktes grunsendes Kichern entgegen. Nun gut sie zwang ihn deutlicher zu werden.
– Ich bin Sir Charles von äh… , von Dingsbums hier… hm, aber sie sind mir sympathisch und dürfen Charly zu mir sagen…
– Gut Charly und ich bin die Madam Pompadour, aber sie dürfen Pompi zu mir sagen. , Ihr Busen bebte gefährlich. Plötzlich schwand ihre Kraft, das Lachen zu unterdrücken und sie detonierte in einem eruptiven donnernden Lachkrampf.
– Das ist nett Pompi, ich bin Sir Charles Harvett… , er hielt ihr seinen nagelneuen Paß unter die Nase, da er gegen ihr Prusten mit Worten nicht mehr ankam. Das von Augenblick zu Augenblick lauter gewordene Lachen glitt langsam zu einem recht böse klingenden Husten ab um nach kurzem Lesen dann zu ersterben. Ihre Augen drohten aus dem Kopf zu fallen, als sie plötzlich die Hände vor’s Gesicht schlug und laut schreiend im Inneren des Gebäudes verschwindend ihre Stellung fluchtartig freigab. Charly trat nun endlich in sein neues Zuhause ein, wenn auch durch die Hintertür.
Sich langsam durch ein Labyrinth von Zimmern oder besser Sälen vorwärtskämpfend gelangte er nach geraumer Zeit in die Eingangshalle, wo er die andere Seite der Eingangspforte erkannte. Hier eilte ihm mit zerknirschtem Gesicht die Gestalt entgegen, die ihn vorher nicht durch den Vordereingang ließ.
– Sir, sie sehen mich verwirrt. Gestatten Mylord, mich bei ihnen für meine Verfehlung in aller Form zu entschuldigen. Ich wußte nicht… Ich werde meine Entlassungspapiere noch heute zu ihrer Gegenzeichnung vorbereiten. ,
Sein Gegenüber schien aber plötzlich Charlys verschlammten Schuhe zu mustern, statt ihm ins Gesicht zu sehen. Charly blickte daraufhin auch hinunter und sah sich in einer gelblichen Pfütze stehen. Verlegen trat er von einem Bein auf das andere. Mit einer großzügigen Geste, die er aus irgendeinem Film kannte, winkte er ab: – Wir vergeben in unserer Großmut…, aber ab jetzt sagst du Charly zu mir! , Der Butler blickte langsam auf und schien die Worte erst jetzt in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen.
– Aber Mylord…, ich danke ihnen für ihr so weitreichendes Vertrauen und die Erlaubnis, meine Verfehlung auszugleichen, aber die Etikette verbieten mir eine derartige Beleidigung der Herrschaften. Ich darf… ,
– … ab sofort Charly zu „ihrer Lordschaft“ sagen! , legte der neue Hausherr fest und rümpfte die Nase bei dem aristokratischen Titel, an den er sich wohl nie gewöhnen würde.
– Jawohl, Mylord! ,
– Charly! , verbesserte er erneut.
– Jawohl, Mylord…Ähh… Charles. Sir. ,
– Andere lernen aber schneller, James. ,
– Jeremias, Mylord! , widersprach der Butler sanft.
– Sag ich doch, …JAMES! , Charly zog eine Grimasse und lachte leise.
– Mein Name ist Jeremias, M… Charly! , Man schien zu begreifen, worauf es hinauslief.
– Okeydokey, Jeremias, morgen lernen wir „DU“. ,
Der Butler hielt Charly die Hand hin, die dieser freudig ergriff und heftig schüttelte. Er betrachtete das als Bruderkuß unter Männern, die entlich entdeckten, doch die selbe Sprache zu sprechen: – Tach! ,
– Hut und Mantel, Mylord! ,, verlangte Jeremias.
– Oh, nicht noch mal das ganze! , Charly schüttelte resignierend den Kopf.

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