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Space-Forschungsstation, nahe Orlando/Florida
verfasst von Prof. Dr. rer. tech. Dipl.-Ing. Atos Kanopoulos – Dienstag, deN 12.12.2158

Ich darf nicht im Detail darauf eingehen, woran ich arbeite und wo und in welcher Form dies geschieht. Aber ich darf mit Fug und Recht behaupten, dass auch ich einen Anteil daran habe, dass wir über dem Mars nun einen blauen Himmel bewundern können.

Seit Wochen prüfen wir in der Forschungsstation neue Atmo-Prozessoren, die möglicherweise eingesetzt werden können, den Planeten für uns wieder lebenswerter zu machen. Hier in Florida arbeiten wir mit einer Form der s.g. Injection-Methode. Dabei werden geladene Teilchen in die Atmosphäre injiziert und bewirken Abkühlungen, Erwärmung oder andere, lokal begrenzte Effekte. Das ist natürlich extrem vereinfacht dargestellt.
Nach der diesjährigen Hurrikan-Saison können wir mit Fug und Recht behaupten, dass wir wahrscheinlich Fortschritte erzielt haben. Alle Hurrikans über Klasse 3 haben wir in diesem Jahr um 1 bis 2 Stufen in ihrer Intensität drosseln können. Ja, sie waren natürlich noch immer verheerend aber nicht mehr absolut tödlich.

Wir waren in den vergangenen Jahren durch klimatische aber auch geologische bzw. tektonische Ereignisse massiv zurückgeworfen worden. So ging beispielsweise 2144 die Forschungseinrichtung in Kalifornien bei einem der großen Beben der Stärke 9 verloren. In den Jahren 2145 bis 2149 wurde uns schmerzlich bewusst, wie dringend erforderlich eine zuverlässige Technologie zur Atmosphärenreinigung war.
Zum Glück für die gesamte Menschheit war der Ausbruch des Yellowstone nur ein winziges, partielles Intermezzo, da sich ein Teil des Druckes durch die Erdbebenserie von 2144 wohl bereits abgebaut hatte.
Dennoch war der Krater mit einem Durchmesser von 1km durchaus imposant.
Auch die durch die pyroklastischen Ströme hinweggespülte Zivilisation im Umkreis von fast hundert Kilometern war überwältigend. Die gesamte Gegend war nun zu Asche und Glas erstarrt und kahl. Sie wird das wohl auch bleiben, bis wir eine passende Technologie finden, diese Gebiete erneut zu erschließen.

Darauf folgten die kalten Jahre „unter der Asche“, die der Menschheit zwar viel abverlangt sie aber letztlich durch die globale Abkühlung gerettet haben.
Die Lebensmittelknappheit war seinerzeit erschreckend. Selbst unter dem Aspekt, dass man frische Lebensmittel in wenigen Stunden um die ganze Welt fliegen konnte. Die Welt war ein Dorf geworden.

Mit dem Zusammenwachsen wuchsen auch die Klassenschranken erneut. Es folgte eine Periode gegenseitiger Verdächtigungen und Aggressionen. Die Welt gelangte durch die Eskalation der Gewalt an den Rand eines neuen Krieges. Zumindest wenn man mal die paneuropäischen Unruhen des frühen 22. Jahrhunderts außer Acht ließ.
Die Vereinten Nationen wuchsen in ihrer Bedeutung für die Weltpolitik und gewannen an Gewicht und Entscheidungsbefugnissen. Jedermann wusste was wir zu erwarten hätten, wenn wir nicht mit einheitlichen Zielen an einem Strang zögen. Unsere Stunden wären gezählt gewesen.


Es ist nun bald 33 Jahre her, dass sich mein Vater das Leben nahm und damit unbewusst meine akademische Karriere in eine andere Richtung lenkte. Die Ereignisse von 2125 waren für mich insgesamt von einschneidender Bedeutung.

Es war seinerzeit ein Schock für mich, meinen Vater und vor allem seinen erschütternden Abschiedsbrief zu finden. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es sein muss, alle Hoffnungen schwinden zu sehen. Ich möchte es mir auch nicht vorstellen. Er glaubte, mich ebenfalls verloren zu haben, nachdem er nichts mehr von mir hörte. Kommunikation war damals schwierig. Mit Menschen in den Großstadt-Slums ganz besonders. Als wir vor den Naturgewalten nach Nürnberg flüchteten, war mein Vater allerdings durch den Tod meiner Mutter bereits sehr mitgenommen. Ich hätte es kommen sehen müssen.

Nachdem ich mir bei der Explosion des Schiffes auf der Mondbasis schwerste Verbrennungen zuzog, wurde ich bewusstlos in die Krankenstation gebracht. Der behandelnde Arzt rettete mein Leben, indem er mich ins künstliche Koma versetzte. Monate später wurde ich in die medizinische Einrichtung der New Yorker Basis verlegt. Vor Antritt der Rehabilitationsbehandlung wollte ich meinen Vater nur kurz besuchen…

Gestern habe ich nun meinen 65. Geburtstag gefeiert. Es war eine kleine, private Feier. Mira, meine Frau, schenkte mir eine kleine Arbeit aus Strandgut. Sie ist Künstlerin und fertigt diese Sachen schon seit vielen Jahren. Das Geschenk war klein. Sie wusste, dass mir ihre Arbeiten zwar nicht besonders gefielen, ich sie aber allemal lieber hatte als gekauften, unnützen Mist.
Meine Frau ist ein herzensguter Mensch und eine wundervolle Mutter und Großmutter. Mein Sohn Dimitri – er heißt so nach seinem Urgroßvater – konnte leider nicht kommen, weil er in Port Renatus durch einen Sandsturm aufgehalten worden war.

Mein Enkel Michael hat letztes Jahr das College abgeschlossen und hat sich freiwillig zur United Navy der UN gemeldet. Die Jungs fliegen Raumschiffe. Achje, das muss erblich sein. Oder einfach der Trend der Zeit. Dimitri hatte mit ihm mal einen Ausflug mit einer „RSI-Zeus“ gemacht. Seitdem war Michaels Entscheidung unumstößlich.
Beim Bierchen mit seiner Freundin Brenda erzählte er mir lachend, dass seine Kommilitonen an der Akademie wohl Schwierigkeiten hatten, den Namen Kanopoulos auszusprechen. Er äffte dabei ein paar Versprecher nach, was auch mich zum Lachen brachte.
Letztendlich, so sagte er mir, hätten sich seine Vorgesetzten wohl gezwungen gesehen, ihm das Rufzeichen „Canopus“ zu geben.
Das sei nicht der schlechteste Name für einen Weltbürger, scherzte ich.