6. Kapitel

– Kleider machen Leute., Charlie pfiff anerkennend durch die Zähne. Die Modenschau, die der nunmehr zivile Bixby mit ihm veranstaltete, begann ihm sogar Spaß zu machen. Charlie kannte sich selbst nicht wieder. Sein Gefühl, etwas Großes zu sein, wuchs minütlich.
An diesem Abend Punkt 8:00 würde er vom Hotel „Royal“ durch einen Chauffeur mit dem eigenen Wagen abgeholt werden. Zuvor mußte er sich aber unbedingt noch von Joe verabschieden.
– Bixby, könnten sie meine Sachen hier zum Hotel bringen lassen und mich dort abmelden. Ich habe noch etwas zu erledigen…
– Kein Problem, Sir Charles., bei dem Sir begann er breit zu grinsen, denn Charlie sah im Augenblick nicht sonderlich danach aus. Diesen prüfenden und heiteren Ausdruck bemerkte Charlie sofort: – Wenn ich mit diesen Klamotten, er wies auf die sorgsam zusammengelegten Anzüge und die restliche Ausstattung, dort hingehe, wo ich noch mal hin muß, werde ich dies wahrscheinlich nicht überleben…
– Kein Problem, Mister Harvet, ich kümmere mich um alles. Tun sie, was sie für richtig halten.
Charles hatte seine zerschlissene Kluft in den Müll werfen lassen und trug nunmehr ein T-Shirt mit Kapuze, einen Blazer und einfache Jeans. Dies sollte für die Underdogs ausreichen, um nicht sofort aufzufallen. Egal, er mußte sich beeilen, denn er hatte nur noch vier Stunden Zeit, bis sein neues hochwohlgeborenes Leben mit einem Straßenritt nach Schottland anfangen würde. So recht vorstellen konnte er es sich aber dennoch nicht, was genau ihn erwartete…
Er schüttelte Bixbys Hand: – Jetzt sehen wir uns wohl nicht mehr.
Der Angesprochene antwortete mit einem süffisanten Lächeln: – Warten wir’s ab.

***

– Sir Charles hat sich bereits aus unserer Gästeliste ausgetragen, Mister McGregor., die junge Frau an der Rezeption wunderte sich über dieses eigenartige Verhalten mindestens ebenso wie ihr Gegenüber.
Dies war wohl nicht die Antwort, die Martin McGregor bei seinem ersten Job für den neuen Chef erwartet hätte. Er überlegte krampfhaft, ob er sich in irgendeiner Weise mit dem Termin vertan haben könnte, schloß dies aber mit einem eifrigen Kopfschütteln direkt wieder aus.
– Aber Sir Charles ist hier mit mir verabredet. Jetzt…
– Mister McGregor, ich verstehe Ihre Aufregung voll und ganz. Falls das, was sie sagen, so zutrifft, hat sie der Herr wohl versetzt.
Das fing ja gut an. Martin McGregor konnte mit Stolz darauf verweisen, in seiner fast zehnjährigen Dienstzeit für Sir Arthur nicht ein einziges Mal unpünktlich gewesen zu sein, jetzt war es sein neuer Chef selbst.
– Sir Charles hinterließ aber reichlich Gepäck, daß sie auf alle Fälle mitnehmen sollten., das Fräulein wies hinter ihre Theke auf mehrere, üppige Taschen und Koffer.: – Ich wäre ihnen sehr verbunden, wenn sie mich von dieser beengenden Situation befreien könnten…
– Keine Frage, Miss…, er sah sie fragend an, bis sein Blick auf ihr Namensschild fiel…: – Miss Donovan., Sie lächelte sanft und korrigierte: – Misses… Misses Donovan.
– Verzeihen sie, junge Frau, ich konnte nicht ahnen…, ein herzerfrischendes Lachen beendete die leicht verfahrene Situation. Glockenhell und unglaublich sanft. Martin stimmte mit ein.
– Nun ich will dann mal meinen Job machen. Sind sie bitte so freundlich, und lassen das Gepäck zum Wagen bringen?
– Aber gern…, Sie lächelte noch immer verführerisch. Oh diese verheirateten Frauen, dachte Martin bei sich, die sind die schlimmsten. Leider blieb ihm keine Zeit, diesen erregenden Gedanken weiter nachzugehen, da der Gepäckträger bereits begann, die Koffer auf seinen Kofferkuli zu bugsieren und dann geschickt zu stapeln. Als Martin bemerkte, welches Ausmaß dies annahm, erbleichte er. Klar, er hätte mit einem Umzugswagen kommen müssen… Wie konnte er das nur vergessen. Nun gut, dies ließ sich auch jetzt noch arrangieren. Vorerst mußte er halt probieren, was alles in den Mercedes paßte. Genaugenommen war er sogar froh, diesen Wagen für seine Mission genommen zu haben.
Sir Arthur legte keinen gesteigerten Wert auf Nobelkarossen, wie Bentley oder Rolls Royce. Er besaß zwar letzteren, wenn er zu repräsentativen Anlässen gerufen wurde, dies kam aber relativ selten vor. Glücklicherweise, wie Martin bemerkte, denn diese Kisten zu putzen, verschlang endlos viel Zeit. Da war ihm der Mecedes schon lieber, abspritzen und fertig. Sir Arthur galt stets als sparsam und praktisch veranlagt. Gleichzeitig durfte man ihn aber auch als modernen, praktischen Menschen bezeichnen, der im Gegensatz zu den vergeistigten und verrotteten Ur-Adligen auch moderne Techniken der Fortbewegung bevorzugte. So hatte er beispielsweise den Ausbau des örtlichen Fluggeländes und eines Hangars gefördert, wo sein Jet auf Abruf bereitgehalten und gepflegt wurde.
Sir Arthur liebte es auch, in einem kleinen ausländischen Sportwagen einfach so durch die Gegend zu fahren und dieses Fahren selbst zu genießen. Er sagte immer, wozu einen Ferrari oder Porsche, wenn ich mit einem zierlichen Japaner und offenem Verdeck so große Freiheit genießen kann. Daß er fromm und abgeschieden lebte, hieß also nicht, daß er sich den Freuden des Lebens verschloß. Nein er war ein durch und durch moderner Mensch. Martin liebte ihn.
Nunmehr hoffte er, daß der neue Lord Hingsley nur annähernd so anständig und groß sein möge, wie es der alte Herr zweifellos war.
Er beschloß, noch mindestens ein bis zwei Stunden zu warten und dann zurückzufahren. Vielleicht hatte es der junge Herr vor Neugier nicht mehr ausgehalten und sich schon viel früher auf den Weg gemacht… Alles war möglich.

***

Es verging endlos Zeit, bis er Joe endlich fand.
– Joe!, Der Angerufene blieb stehen und sah sich verdutzt nach Bekannten um, die aber scheinbar zu so später Stunde nicht mehr auf ihn warteten. Er erkannte Charlie gar erst auf den dritten Blick.
– Mann, Charlie, welchen Laden hast du denn geknackt. Das ist ja alles nagelneu., Joe grinste gierig, als er den recht feinen Stoff zwischen die Finger nahm.
– Ich glaube ich habe etwas zu erzählen…
– Mann Charlie, du bist bei den Bullen ausgebüxt und hast in der City auch gleich noch den feinsten Laden mitgenommen…
– Nein, nichts ist geklaut, alles regulär gekauft.
– Die Klamotten könnten aus der Nähe betrachtet gut 50 Pfund gekostet haben.
– Das kommt ungefähr hin, aber Joe, das ist nicht das, was ich dir erzählen muß…
– Schieß los!
Während Charlie seinen Tag so Stück für Stück darbot, gestisch und mimisch theaterreif, wurde Joes Gesicht von Grinsen vor diebischer Freude, Neid, Fassungslosigkeit und Unverständnis verzerrt. Nein, Joe hörte nicht auf zu grinsen, bis Charlie vorbrachte, daß er für eine Weile nach Schottland müsse.
– Komm doch mit, Joe! Das Geld reicht für eine halbe Armee von unsereiner, zu einem unbeschwerten Leben.
– Charlie!, Joe schüttelte verdrießlich den Kopf: – Das würde nicht gutgehen. Du magst von Geburt mehr oder weniger zufällig von adligem Geblüt sein, die meisten hier sind’s nicht. Du warst schon immer irgendwie anders. Vielleicht gibt es doch sowas, wie Geldchromosomen in den Erbanlagen von Adligen… Nee, Charlie, ich hab’ hier noch viel zu tun. Vielleicht komme ich eines Tages drauf zurück. Vergiß uns nicht, dann bin ich schon glücklich.
Charlie standen Tränen in den Augen, die er eifrig wegzublinzeln versuchte. Als dies nicht mehr gelang, umarmte er Joe fast schluchzend.
– Wie könnte ich die Zeit mit dir je vergessen. Niemals. Du wirst mir fehlen. Besuch’ mich mal, bitte! Versprochen?
– Versprochen., Joe wußte seinen Freund zu besänftigen.: – Laß uns einen trinken gehen, wenn du noch ein zwei Pfund in der Tasche hast.
– Ja Alter, laß uns einen Saufen gehen, ich lade dich ein.
An einer Stehkneipe kaufte Charlie zwei Flaschen eines mittelprächtigen, verschnittenen Scotchs. Auf dem Gehsteig sitzend köpften sie jeder eine. Die wohlige Wärme verschaffte Joe einen wohltuend respektlosen Rausch, noch bevor er die Flasche auch nur halb leeren konnte. Aus dem Gespräch wurde ein Grölen, aus einzelnen Jauchzern unzüchtige, zu laut und zu falsch gesungene Lieder.
Sie mußten sich gegenseitig stützen, um nicht in den regennassen Rinnstein zu fallen. Aus der Ferne vernahmen Sie ein leises, zurückhaltendes Schlagen einer Uhr. Sie zählten verhalten mit und lachten bei jedem Schlag auf. Zehn mal.
– Zehn?, Charlie schlug sich an die Stirn.: – Verdammt, ich sollte um acht am Hotel abgeholt werden.
– Jau, Charlie, dann hast du jetzt ein Problem, denke ich. Du bist etwas unpünktlich., Joe kicherte fanatisch. Den Alkohol war er wohl nicht mehr gewohnt. Auch Charlie wußte nicht, wann er das letzte Mal welchen hatte. Es schien eine Ewigkeit her zu sein. Irgendwann in einem anderen Leben… Jetzt zählte jede Minute.
– Joe?, Der Angesprochene rülpste laut und kicherte wieder mehr abwesend als lauschend.
– Hmmm?
– Ich möchte dir etwas Geld geben, damit du dir für die kalten Tage etwas anzuziehen kaufen kannst. 50 Pfund sollten reichen. Verjubele sie nicht einfach, OK?
– Jaaa, Papaaaa. Suu Befeehl, Kommandant!, Joe riß die Hand nach oben, die ihn direkt auf der Nase traf: – Scheiße… daneben…!, Mit ihm war nicht mehr viel anzufangen. Auch Charlie hatte arge Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten, brachte aber noch den einen oder anderen, klaren Gedanken hintereinander. So steckte er Joe fünfzig Pfund in die Tasche: – Du wirst mir fehlen, Joe., sagte er zu dem nunmehr schon gleichmäßig schnarchenden Kumpan.

Ein paar Schritte weiter winkte er einem Taxi, das aber vorbeifuhr. Er brauchte einige Versuche, bis endlich ein Wagen hielt.
– Zum Hotel „Royal“ bitte!, seine Stimme ließ einiges an Entschlußkraft und Festigkeit vermissen, der Alkohol bahnte sich unaufhaltsam den Weg in sein Gehirn, um dies nach allen Regeln der Kunst schrittweise abzuschalten.
– Hotel „Royal“? Sie?, Der Taxifahrer befürchtete das schlimmste. Ein Penner von der Straße, mehr Dreck als Mensch, wollte zu einem der feinsten Hotels am Platze. Die Strecke würde mindestens 30 Pfund kosten.
Charlie wiederholte seinen Wunsch mit deutlich brechender Stimme.
– 15 Pfund im Voraus, der Herr.
Dem Fahrgast kam dies schon nicht einmal mehr eigenartig vor. Er griff in die Tasche, zog den erstbesten Schein heraus und reichte ihn dem Fahrer über die Schulter, bevor er etwas einnickte.
– Hey, Mister! Das sind hundert Pfund! Das kann ich nicht annehmen., Die einzige Antwort war ein unaufdringliches, rasselndes Schnarchen.
– Na, dann wollen wir mal…, sprach der Taxifahrer mehr zu sich.
Charlie kam auf etwas unsanfte Weise zu sich. Das Ruckeln und Schaukeln des Taxis und die sich unablässig um ihn drehende Welt schlug ihm auf den Magen. Um nicht zu sagen, wie eine Faust in den selbigen.
РMister!, sprach er den Taxifahrer an.: РK̦nnten Sie mal schnell links ranfahren, mir geht es nicht besonders.
Dem Fahrer lag einiges an seinem Taxi, wodurch er dieser Bitte recht schnell nachkam. Schnell genug für Charlie, die angestaute Ladung direkt neben dem Auto in den Rinnstein zu erbrechen. Der aufsteigende, leicht säuerliche Geruch jagte auch dem Fahrer noch Schauer über den Rücken und durch die Gedärme.
– Mister, wenn sie bitte aussteigen würden!, Charlie wußte nicht recht, wie ihm geschah.: – Wie bitte?
– Bitte verlassen Sie meinen Wagen. Ich habe besseres zu tun, als einen Trunkenbold spazieren zu fahren, der mir womöglich den Wagen vollreihert und dann nicht in der Lage ist, die Reinigung zu zahlen…, In diesem Augenblick fiel dem Fahrer die Hundert-Pfund-Note wohl gerade nicht ein, die er als Vorschuß kassiert hatte. Da Charlie auch keine Anstalten machte, sich Ihrer zu erinnern, blieb es dabei. Der Taxifahrer hatte ein gutes Geschäft gemacht und sein ehemaliger Fahrgast stand orientierungslos im kalten Londoner Regen.
Keine Menschenseele weit und breit, die er nach dem Weg hätte fragen können. In der Dunkelheit war auch kein Undergroundschild auszumachen. Er blickte verdrießlich in den Himmel und mochte den Genuß an der Wiederkehr seines Verstandes und der Ankunft teuflischer Kopfschmerzen nicht so recht teilen.
Die Straßennamen sagten ihm nichts. Er vermutete, sich schon in der Nähe der City zu befinden, wo er das Hotel suchen mußte. Nach einigen Minuten kam er an einem Laden vorbei, in dem er heute gemeinsam mit Bixby gewesen war. Endlich ein Anhaltspunkt. Das „Royal“ war ganz in der Nähe.
Nach insgesamt 70 anstrengenden Minuten Fußmarsches durch nasse Londoner Straßen erreichte er die rettende Insel des Hotels.
Der Portier sah ihn mißmutig an, musterte ihn von Kopf bis Fuß, ließ ihn aber aus irgendeinem unerfindlichen Grunde, wenn auch mit gerümpfter Nase, passieren.
Er schritt direkten Weges auf die Rezeption zu. Der Nachtportier verschwand dezent hinter einer Trennwand, sodaß Charlie erst um diese herumgehen mußte, falls er seine Frage stellen wollte. Er tat es also.
In dieser Nische waren sie vor den Blicken neuankommender Gäste geschützt, was den jungen Lord aber nicht nennenswert interessierte. Zumal er einem solchen auch nicht sehr ähnlich sah.
– Junger Mann!, der Nachtportier ergriff das Wort.: – Ich weiß nicht, was sie hierher verschlägt, aber es wäre mir sehr recht, wenn sie unser Haus schnellstmöglich wieder verließen.
– Ich will auch gar nicht bleiben., antwortete Charlie gelassen, wobei ihm das sichtliche Aufatmen seines Gegenübers wohl auffiel.: – Ich wollte nur wissen, ob… also ich sollte eigentlich hier abgeholt werden… Ist der Wagen… Ist mein Chauffeur schon weg?
Dem Nachtportier schossen nun viele Gedanken durch den Kopf, die er auch direkt wieder verwarf.
– Wer bitte, sollte sie denn abholen?
– Ich weiß noch keine Namen, ich bin in dem Metier noch neu…, Charlie versuchte zu grinsen, was auf der Gegenseite nicht so angenehm aufgenommen wurde.
– Gut und wer sind sie?
– Charles Harvet. Ich müßte in der Gästeliste drinstehen, nee halt…, er dachte an Bixby, dem er ja Aufgaben zugedacht hatte.:- …dringestanden haben. Sergeant Bixby hat mich heute nachmittag abgemeldet.
Der Portier machte keine Anstalten, irgendwas zu unternehmen, das Charlie weiterhelfen könnte.
– Würden sie bitte nachschauen!?, Charlies Gesichtsausdruck schien etwas Eindruck zu schinden.
Widerwillig nahm der Angesprochene das Gästebuch zur Hand und blätterte die An- und Abmeldungen des Tages durch.
– Ich kann keinen Charles Harvet finden., Dem Portier wurde unwohl bei dem Gedanken, sein außerordentlich ungepflegter Gesprächspartner, könnte von Gästen gesehen werden.
– Und Sir Charles Hingsley und Clayton oder so…?, Charlie wollte nicht aufgeben.
– Ein Sir Charles ist nie Gast in diesem Hause gewesen. Ich bedauere., Er wollte sich abwenden, als Charlie ihn fest am Arm packte.
– Mister, ich muß wissen, ob mein Gepäck oder mein Fahrer noch hier sind…
Dem Nachtportier wurde sichtlich unbehaglich.: – Ich werde nachfragen. Wenn sie so lange hier warten würden…, Dies war keine Frage, das war Charlie klar, aber es schien sich ja in seinem Interesse zu entwickeln und so ließ er den Mann los.
Der griff zu einem Telefon und sprach einige Minuten, wenn auch so leise, daß Charlie nichts mitbekam. So lümmelte er sich auf den Tresen und versuchte reich und cool auszusehen. Sein Blick wanderte auch an ihm selbst hinunter und er begann zu verstehen, was den Portier an ihm verunsichern mochte.
Die Verunsicherung wich Tatsachen. Zwei Uniformierte kamen auf ihn zu, nahmen ihn in die Mitte und baten ihn höflich aber bestimmt, das Hotel zu verlassen.
– Hören sie. Ich will doch nur wissen, ob der Chauffeur von Sir Charles Harvet schon weg ist., Seine Worte fanden kein Gehör mehr. Vor der Tür fand er sich neben dem Portier wieder, der ihn schon beim Hineingehen gemustert hatte.
– Und warum haben sie mich nicht daran gehindert, das Haus zu betreten?, Charlie wollte provozieren.
РEs steht mir nicht zu, Sir, zu entscheiden, ob sie sich ein Zimmer hier leisten k̦nnen oder nicht., Er blieb bei seinen Worten ruhig und gelassen.
Eine junge Frau verließ das Haus durch den Haupteingang. Der Kleidung nach schien sie eher eine Angestellte als ein Gast zu sein.
– Auf Wiedersehen, Misses Donovan, bis morgen., verabschiedete sie der Portier.
– Bis morgen, Elliot!, entgegnete sie. Zu Charlies Erstaunen setzte sie an ihn gewandt hinzu: – Ich weiß zwar nicht, was es sie angeht, aber Mister McGregor…, Ein Lächeln huschte über ihre Wangen: – …der Fahrer von Sir Charles und Sir Charles selbst schienen sich verfehlt zu haben. Martin ist ohne ihn zurückgefahren… Und sie sollten besser verschwinden. Ich finde zwar, daß sie unser Chef unfair behandelt hat, aber er würde sie auch der Polizei melden, falls sie zwischen sich und dieses Hotel nicht bald einen gehörigen Sicherheitsabstand gebracht haben. Gute Nacht, Mister Harvet.
Charlie war sprachlos aber auch irgendwie dankbar.: – Gute Nacht, Misses Donovan.
Wie zum Teufel sollte er nun nach Schottland kommen?
Fliegen? Er griff nach seiner Geldbörse. Die Kreditkarten waren im Gepäck, ebenso die Schecks. Er konnte in seinen Taschen alles in allem ungefähr 200 Pfund auftreiben. Das würde zum Fliegen sicher nicht reichen. Er hoffte inständig, daß ihn wenigstens ein Zug für das Geld weit genug bringen würde.

8. Kapitel

Aus der Nähe sah das „Häuschen“ so gar nicht platzsparend gebaut aus. Charly trat näher und besah sich Tür und Rahmen.
– Wo die hier bloß die Bimmel versteckt haben? … , Er sah weiter rund um die Pforte und entschloß sich, seine Ankunft mündlich kundzutun. – Haaallooo, haaaallooooo! , rief er, sich seiner schwachen Stimme im Vergleich zum Gebäude immer deutlicher bewußt werdend.
– Hallo, guckt mal, wer da guckt! , Es blieb alles still. Ein wenig nähertretend entdeckte Charly zwei Löwenköpfe mit Ringen im Maul, die so ganz zur Monströsität des ganzen Drumrum paßten.
– Ob die die Klingel da drunter versteckt haben? , Ächzend versuchte er einen der Ringe anzuheben. Nichts. Nur Tür. Enttäuscht ließ er ihn achtlos fallen. Dumpfes Grollen schien den ganzen Bau zu erschüttern. – Hoppla… , rief Charly erschreckt. Nichts tat sich.
– Ihr habt es ja so gewollt… , fluchte der Ankömmling und kramte sein Werkzeug au der Tasche. Als er gerade zur Schnellöffnung ansetzen wollte schwang ein Torflügel eine Handbreit auf. Wie peinlich. Charly setzte ein Grinsen auf. Ihm gegenüber zeigte sich ein ernstes, außerordentlich unfreundliches und abwesend erscheinendes Gesicht und musterte ihn kurz.
– Spielverderber , brummte Charly leise.
– Kenne ich nicht. , kam es knapp aus dem Spalt – der Dienstboteneingang ist hinten. ,
– Aber ich… , wollte Charly durch den sich schließenden Spalt rufen hörte aber nur noch ein „Hintenrum“ mit bösem Unterton bevor das Tor sich mit dumpfem Grollen schloß.
Charly zog los, in der Hoffnung, auf seinem Weg eine andere Pforte ins gelobte Reich zu entdecken, seinen Fußmarsch wenigstens mit Erfolg abschließen zu können. Denn abgeschlossen fand er bisher nur sein neues Heim. Eigentlich wäre das ja nicht das eigentliche Problem, nur gedachte er nicht, wieder mit gezücktem Werkzeug vor dann schon offener Tür zu stehen. Er fand letztlich eine und klopfte. Als geöffnet wurde hatte er aber wieder keine Chance zum Eintreten, zumal der Eingang völlig durch die ihm Öffnende versperrt wurde. Sie blickte irgendwie gutmütig, machte aber keinerlei Anstalten, den Eingang freizugeben. Einen Kopf größer als er und bald ebenso breit wie hoch blockierte sie nicht nur den Eingang sondern auch seinen Mut, sich einfach vorbeizudrängen.
– Was wünschen Sie? , fragte sie mit warmer Altstimme.
– Ich möchte gern rein! , sagte Charly mit größter Selbstverständlichkeit des Hausherrn.
– Ho, ho , gluckerte es irgendwo in der Barrikade ohne den geringsten Erfolg zu zeigen. – Worum geht es denn, wir haben nichts bestellt und kaufen auch nichts. Außerdem haben wir keine Zeit, da der neue Hausherr jeden Moment ankommt. , Sie wollte die Tür wieder schließen.
– Das trifft sich prächtig, der bin ich nämlich… , Ein warmes und herzliches Lachen unterbrach ihn.
Nun verderben mochte er es sich mit dieser Gestalt nicht unbedingt. Ein gewisses unbehagliches Gefühl sagte ihm, daß sie ihn möglicherweise ohne es zu wollen ernstlich verletzen konnte. Er entschloß sich darum es mit ihr noch mal im Besten zu versuchen, bevor es nur noch im Guten ging.
– Ich wohne nämlich hier, wenn sie verstehen… , Das Donnern und Glucksen schwoll erheblich an. Nun das reichte wohl nicht zum Ãœberzeugen. Sie machte zwar einen netten Eindruck, aber bisher hatte Charly nur Vertreter des weiblichen Geschlechts kennengelernt, bei denen ihn nicht nur der erste Eindruck betrogen hatte.
– Gute Frau, ICH bin der neue Chef hier. Ich bin… , weiter kam er nicht. Statt Sesam-Öffne-Dich drang ihm nur schwer unterdrücktes grunsendes Kichern entgegen. Nun gut sie zwang ihn deutlicher zu werden.
– Ich bin Sir Charles von äh… , von Dingsbums hier… hm, aber sie sind mir sympathisch und dürfen Charly zu mir sagen…
– Gut Charly und ich bin die Madam Pompadour, aber sie dürfen Pompi zu mir sagen. , Ihr Busen bebte gefährlich. Plötzlich schwand ihre Kraft, das Lachen zu unterdrücken und sie detonierte in einem eruptiven donnernden Lachkrampf.
– Das ist nett Pompi, ich bin Sir Charles Harvett… , er hielt ihr seinen nagelneuen Paß unter die Nase, da er gegen ihr Prusten mit Worten nicht mehr ankam. Das von Augenblick zu Augenblick lauter gewordene Lachen glitt langsam zu einem recht böse klingenden Husten ab um nach kurzem Lesen dann zu ersterben. Ihre Augen drohten aus dem Kopf zu fallen, als sie plötzlich die Hände vor’s Gesicht schlug und laut schreiend im Inneren des Gebäudes verschwindend ihre Stellung fluchtartig freigab. Charly trat nun endlich in sein neues Zuhause ein, wenn auch durch die Hintertür.
Sich langsam durch ein Labyrinth von Zimmern oder besser Sälen vorwärtskämpfend gelangte er nach geraumer Zeit in die Eingangshalle, wo er die andere Seite der Eingangspforte erkannte. Hier eilte ihm mit zerknirschtem Gesicht die Gestalt entgegen, die ihn vorher nicht durch den Vordereingang ließ.
– Sir, sie sehen mich verwirrt. Gestatten Mylord, mich bei ihnen für meine Verfehlung in aller Form zu entschuldigen. Ich wußte nicht… Ich werde meine Entlassungspapiere noch heute zu ihrer Gegenzeichnung vorbereiten. ,
Sein Gegenüber schien aber plötzlich Charlys verschlammten Schuhe zu mustern, statt ihm ins Gesicht zu sehen. Charly blickte daraufhin auch hinunter und sah sich in einer gelblichen Pfütze stehen. Verlegen trat er von einem Bein auf das andere. Mit einer großzügigen Geste, die er aus irgendeinem Film kannte, winkte er ab: – Wir vergeben in unserer Großmut…, aber ab jetzt sagst du Charly zu mir! , Der Butler blickte langsam auf und schien die Worte erst jetzt in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen.
– Aber Mylord…, ich danke ihnen für ihr so weitreichendes Vertrauen und die Erlaubnis, meine Verfehlung auszugleichen, aber die Etikette verbieten mir eine derartige Beleidigung der Herrschaften. Ich darf… ,
– … ab sofort Charly zu „ihrer Lordschaft“ sagen! , legte der neue Hausherr fest und rümpfte die Nase bei dem aristokratischen Titel, an den er sich wohl nie gewöhnen würde.
– Jawohl, Mylord! ,
– Charly! , verbesserte er erneut.
– Jawohl, Mylord…Ähh… Charles. Sir. ,
– Andere lernen aber schneller, James. ,
– Jeremias, Mylord! , widersprach der Butler sanft.
– Sag ich doch, …JAMES! , Charly zog eine Grimasse und lachte leise.
– Mein Name ist Jeremias, M… Charly! , Man schien zu begreifen, worauf es hinauslief.
– Okeydokey, Jeremias, morgen lernen wir „DU“. ,
Der Butler hielt Charly die Hand hin, die dieser freudig ergriff und heftig schüttelte. Er betrachtete das als Bruderkuß unter Männern, die entlich entdeckten, doch die selbe Sprache zu sprechen: – Tach! ,
– Hut und Mantel, Mylord! ,, verlangte Jeremias.
– Oh, nicht noch mal das ganze! , Charly schüttelte resignierend den Kopf.

***