„Sie haben die programmierten Koordinaten erreicht.“ säuselte das Navigationssystem mit verführerischer Stimme.
Wer das Ding auch immer programmiert haben mochte, hatte keine Ahnung, wie sich dies auf eine miese Herrscherlaune auswirkte. General Legomann atmete tief durch. Die folgenden Tage würden ihn einer harten Prüfung unterziehen, wie er sie noch nicht erleben musste seit er denken kann.
Die dunklen Wälder gigantischer Baumriesen Teutonias steigerten seinen Verdruss zur depressiven Stimmung. Mit gemächlichem Schritt überquerte er die Lichtung auf der sein kleiner Raumer soeben nieder gegangen war und strebte der einsam gelegenen Blockhütte an ihrem Rand entgegen.
Sein persönlicher Adjutant Colonel Jar hatte ihn bereits unterwegs mit der brutalen Wahrheit konfrontiert. Sein Einfluss auf die Geschicke der Generatio Nova war gebrochen worden. Somit, so musste er konstatieren, war sein Vorhaben sich rar zu machen, um die Machtbasis zu festigen, wohl ein Schuss gewesen, der nach hinten losging.
Dieses Imperium und diese Leute tickten einfach in einer Weise, die er nicht mehr einzuschätzen vermochte.
In der Hütte angekommen, riss er den im Nachrichtenkorb befindlichen, altertümlichen Papierumschlag auf und las die Nachricht der imperialen Führung:
„Sir! Ihre abweisende Haltung und Ihre fortwährende Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen des Imperiums, lassen nur eine Maßnahme zu.“ Legomann schloss kurz die Augen und schüttelte nur kurz mit dem Kopf. Welche Unverfrorenheit… Dennoch bemühte er sich, dem vom imperialen Rat abgesegneten Schriftsatz weiter zu folgen.
„Der imperiale Rat hat daher im Rahmen einer demokratischen Abstimmung beschlossen, einen fähigen Ersatz zu wählen. Wir bedauern sehr, dass wir Ihre Stimme aufgrund Ihrer fortgesetzten Abwesenheit nicht einbeziehen konnten. Verstehen Sie dies bitte nicht als Kritik an Ihrer Person oder gar den durch Sie eingeleiteten, notwendigen Veränderungen im Imperium, sondern als Notwendigkeit im Sinne der Generatio Nova.
Der Senat entschied sich einstimmig für General Force als vorübergehenden Kopf des Imperiums. Ihm sind wichtige, diplomatische Errungenschaften zu verdanken. Somit hat die Generatio Nova ab sofort eine mindestens ebenso fähige Führung, wie sie dies zu Ihren besten Tagen hatte…“ Das Papier bebte in seiner Hand und drohte fast zu zerreißen.
Nunja, er verstand so manches. Hatte er sich zu wenig um die Belange des Imperiums gekümmert? Das mochte wohl so sein. Vielleicht war diese Absetzung ein geeigneter Weg zu seiner Läuterung. Force war ein tatsächlich überduchschnittlich fähiger General. Seine Wahl daher mehr als vorhersehbar und berechtigt gewesen.
Außerdem hatte es keinerlei Bestrebungen gegeben, ihn aus dem imperialen Rat zu drängen. Ein demokratischer Putsch? Nein, das wäre zu hart. Dennoch hasste er sich für seine wiedersprüchlichen Gefühle und Gedanken. Sollte er sich wieder ganz aus der Politik zurück ziehen?
Seine Augen schwenkten zum Papier zurück. Ein paar Zeilen standen dort noch.
„Das Imperium zählt auf Ihre Unterstützung im Rahmen der demokratischen Umgestaltung. Alles Erreichte taugt nur so viel, wie der Schutz, dem wir ihm widmen können. Wir – die Generatio Nova – brauchen Ihre militärischen als auch diplomatischen Erfahrungen, um das imperiale Leben auch weiterhin angemessen zu fördern und zu bereichern.
Hochachtungsvoll und in würdevoller Verbeugung
Der imperiale Führungsstab der Generatio Nova“
So groß sein Verlangen nach einer betäubenden Menge magumischen Ales auch war, er musste mit sich selbst ins Gericht gehen und ein wenig objektiver an die Sache herangehen. Leicht gesagt, wenn man bildlich und wortwörtlich im dunkelsten aller Wälder stand.
Und da war er wieder. Der Gedankenblitz der ihn seit Monaten immer wieder heimsuchte, nur um sich dann so plötzlich zu verflüchtigen, wie er gekommen war.
Der bislang erlangte, militärische Schutz der Alliierten kann sich kaum auf mehrere Dutzend Herrscher der Generatio Nova erstrecken, wenn Bündnisse der Verbündeten dem Vorhaben entgegenstehen. Dieses Dilemma war noch immer ungelöst und man hatte ihn mehr oder weniger direkt aufgefordert, dies endgültig zu ändern.
Das Leben hatte mit starken Verbündeten einiges an seiner wundervollen Vielfalt zurück gewonnen. Aber es war ein Aufschub. Keine Lösung.
Verdammt. Es könnte so verdammt einfach sein, wenn sich sein Gehirn nicht ständig in depressiven Gedankengängen verlöre, die ins Nichts führten.
Er würde sich auf die Wurzeln und Traditionen seiner stolzen Rasse besinnen. Die große Politik musste warten.
Nun wurde ihm plötzlich klar, was er zu tun hatte.
Sein Kommunikator zeigte nur einen winzigen Ausschlag an Empfangsleistung. Hoffentlich würde er einen Funkspruch an seinen Adjutanten absetzen können, ohne erneut den ganzen Weg zum Schiff zurücklegen zu müssen.
Colonel Jar meldete sich nach kurzer Signalisierung.
„Sir! Was kann ich für Sie tun?“
„Colonel, ich muss Sie bitten, alle Anrufe der kommenden Tage abzuweisen. Ich werde voraussichtlich für eine Woche nicht zu sprechen sein.“
„Sind Sie auf einen so langen Aufenthalt eingerichtet, Sir? Oder darf ich Ihnen noch Proviant und Kleidung bringen lassen?“ Der Colonel klang ehrlich besorgt.
„Nein, mein treuer Freund,“ sagte Legomann mit einem Lächeln, „in den kommenden Tagen werde ich kein Colonel sondern ausschließlich Magumer sein. Dazu benötige ich keinen unnützen Komfort. Ich gehe auf eine Reise in meine Vergangenheit und meine Seele.“
„Oh… verstehe, Sir!“ sagte Jar knapp.
„Nun, Hawking, ich bin sicher, dass Sie dies nicht tun und ich verzeihe es Ihnen.“ sagte Legomann. „Keine Anrufe in den kommenden Tagen und teilen Sie der imperialen Führung auf Nachfrage mit, dass ich weiterhin zur Verfügung stehe, sobald ich zurückgekehrt sein werde.“
„Jawohl, Sir!“, sagte Colonel Jar.
„Fein, Legomann Ende.“
Legomann legte auf und schaltete den Kommunikator aus. Dort wo er nun hinzugehen gedachte, brauchte er weder Technik noch Begleitung.
Wäre es keine spirituelle Wanderung gewesen, hätte er die Strapazen womöglich gar nicht auf sich genommen. Die Höhlen der Vorfahren.
Religiöse und spirituelle Dinge haben die Magumen schon immer fasziniert. Legomann hatte sich entschlossen, in einem historischen Höhlendorf eine antike, zeremonielle, spirituelle Reinigung zu zelebrieren. In den kommenden Tagen würde er keine Nahrung aufnehmen und seine Zeit in Trance und Gebet verbringen.
Im Versammlungs-Sietch hockte er sich mit verschlungenen Beinen auf den Boden, nachdem er mehrere zeremonielle Kerzen und Behälter mit traditionellen, die Seele öffnenden Kräutern entzündet hatte.
Die Zermonie war so alt, dass selbst sein Großvater sie nur vom Hörensagen kannte. Eine weise Frau aus seinem Stab hatte sie ihm beigebracht. Nun wusste er auch warum. Die Vereinigung mit den Seelen der Vorfahren würde ihn neu beleben und ihm antworten liefern, ohne dass er sie länger suchen musste.
Er begann damit, seinen Atem zu kontrollieren und sich auf sein Innerstes zu konzentrieren. Auf dem Höhepunkt der Zeremonie soll es einigen Priestern gelungen sein, eine handbreit über dem Boden zu schweben. Gedanken wie diesen verscheuchte er. Verbannte alle Gedanken aus seinem Kopf. Wenn sich dies weiterhin so schwer gestalten würde, musste er mit einer langen Zeremonie rechnen.
Sein Atem verlangsamte sich. Sein Pulsschlag ebenso. Langsamer… gelassener…
Viele Stunden später hätte ein Außenstehender ihn für tot halten können. Doch er atmete und sein Herz schlug. Gelegentlich…