5. Kapitel

– Na, Beatrice, da heißt es, sich ranhalten an den neuen Lord of Hingsley und Clayton. Vielleicht läßt er sich eher anpumpen., William grinste hintergründig.
– William, manchmal bin ich richtig froh, daß wir nicht verheiratet sind. Du kannst so ein wundervoll chauvinistisches Schwein sein., Beatrice Ihrerseits war außerordentlich wütend:
– Ich werde mich auch sicher nicht in deine Rangliste der Leidenschaften einsortieren lassen…
– So? Welche Rangliste denn?, William goß sich seelenruhig aus einer bauchigen Kristallkaraffe Sherry nach.
– Erstens Geld, zweitens Besitz, drittens Sex, dann eine ganze Weile nichts und irgendwann vieleicht einmal Liebe. Aber das die zu deinen Fähigkeiten zählt, wage ich unterdessen zu bezweifeln.
– Aber Schatz, ich liebe dich doch., Das Grinsen wurde infernalisch breit: – Und da ich annehmen kann das du mein Geld auch geliebt hast, als ich es noch besaß, bin ich der Meinung, daß du auch einmal etwas für mich…., naja für uns tun kannst. Du bist im besten Alter meine Beste, um so einen vertrockneten Aristokraten ein wenig in Schwung und um ein paar Pfund zu bringen.
– Das ist nicht dein Ernst?, Beatrice kreischte fast.
– Doch. Warum nicht?, er nippte kurz am Glas.
– Ich bin nicht deine…, deine… Glaub ja nicht, daß ich mich für dich prostituiere!
– Aber Schatz. Ich werde doch von meiner Schwester einen kleinen Gefallen erbitten dürfen.
Beatrice haßte diesen phlegmatischen Zustand Ihres Liebhabers.
– Ich bin nicht deine Schwester, verdammt…
– Falls das hier irgendjemand erfahren sollte, sind wir beide restlos ruiniert. Eine Frau deines Standes hätte ich hier nicht in die Gesellschaft einführen können. Als meine Schwester hattest du deine Chance. Es hat dir doch gut gefallen. Oder etwa nicht?
– Es ist mir egal, was die anderen Leute denken…
– Auf einmal?, fiel ihr William ins Wort, der sein gespieltes Desinteresse nun nicht mehr länger aufrechterhalten konnte. Beatrice fuhr auf und verließ Wut schnaubend den Raum, die schwere Eichentür ins Schloß schmetternd. William schmunzelte unvermittelt. Wußte er doch, daß Beatrice nichts mehr liebte, als den Klang raschelnder Scheine und klingender Münze. So sprach er besinnlich in Richtung der noch bebenden Türe: – Du wirst schon tun, was getan werden muß. Gleich und Gleich gesellt sich gern., Er trank den Sherry aus und genoß das scharfe Rieseln durch seinen Hals.
In wenigen Stunden würde sie ihn wieder um Geld bitten, um sich etwas Ablenkung zu verschaffen und er würde um des lieben Frieden willen einlenken. Frühestens dann konnte er mit ihr wieder vernünftig reden.
Mochte sein, daß er diese Frau einmal ernsthaft geliebt hatte, jetzt ging sie ihm mehr und mehr auf den Wecker. Vor seiner Fehlspekulation, als er durchaus wohlhabend war, gab es keinen Streit zwischen Ihnen. Beatrice verschwand meist für ein, zwei Tage und kam mit einer Wagenladung Kleidern und Presenten zurück. Diese Zeiten waren nun vorbei. In jeder Hinsicht. Nun war sie noch nicht einmal bereit, etwas für ihr Geld zu tun. Er hatte ja gar nicht verlangt, daß sie mit dem neuen Lord das Bett teilen solle, wenngleich ihn diese Vorstellung auf eigenartige Weise erregte. Auf alle Fälle hatte sie genügend Talent, einen kleinen adligen Trottel, er verbesserte sich, noch nicht mal adligen, neureichen Trottel mühelos in tränenrühriges Mitleid zu verstricken…
Nein, Beatrice war nurmehr eine Last für ihn. Er würde sie über kurz oder lang auf elegante Weise loswerden müssen, um nicht selbst kompromittiert zu sein. Sie als seine Schwester einzuführen hat sich nun als schwerwiegender Fehler herausgestellt. Sollte nach außen dringen, daß er das Lager mit ihr teilte, würde man ihn des Inzest beschuldigen und aus der Gesellschaft ausschließen. Von der High Society ignoriert zu werden, wäre der härteste Schlag für ihn, schlimmer noch als Armut. Dann hätte er jegliche Chance auf neuen Wohlstand endgültig verwirkt.
Wenn er sie des Hauses verwiese, kämen mit Sicherheit Fragen auf, die er beantworten müßte. Die Familie steht in dieser Gegend hoch im Kurs. Beatrice könnte auspacken…
Auch den Gedanken an Mord verwarf er schnell. Das war nicht sein Stil und seinem Verstand nicht würdig. Dieser schien nur etwas eingerostet.

***

Auf dem Hingsley’schen Besitz herrschte eifrige Betriebsamkeit. Wie würde der neue Lord wohl aussehen? Einige der Dienstmädchen schnatterten aufgeregt durcheinander. Sicher gab es einige von ihnen, die sich ausmalten, vielleicht sogar eines Tages von den anderen Mylady“ genannt zu werden. So etwa mitte Dreißig sollte er sein.
Der einzige, den das ganze Geschrei wenig berührte war Jeremias Pendleton. Für ihn, als langjährigen Vertrauten Sir Arthurs, Butler aus Gesinnung fing die eigentliche Arbeit erst wieder an, sobald der neue Lord eintraf. Alle Räume waren hergerichtet, alles fein säuberlich geputzt. Seine Aufsicht war demnach nicht nötig. Sollten sich die jungen Dinger ruhig die Mäuler zerreißen. Solange alle Arbeit fertig wurde, war er es zufrieden.
Der Chauffeur war in den frühen Morgenstunden in Richtung London aufgebrochen, um Sir Charles im Hotel aufzusuchen und ihn nach Hause zu begleiten.
Er saß am Gesindetisch in der gigantischen Küche, dem Reich der besten Köchin, die es gab. Wenn er nicht alle Tage Kilometer innerhalb des Gebäudes und der Terassengärten zurücklegen müßte, hätte er sich vermutlich ebenso ansehliche Reserven aufbauen können wie sie. Nun ja, zugegeben, als er Mary geheiratet hatte, wog sie weit weniger als die Hälfte, aber er liebte sie dennoch innig. Stürmischen Anwandlungen widersetzte er sich bei ihr ohnehin nie, wenngleich er seinen ehelichen Pflichten mit seinen 68 Lenzen immer seltener nachkommen konnte. Nichtsdestotrotz hatte ihre Ehe nun schon sein über 30 Jahren Bestand. Sie war einiges jünger als er, mitte fünfzig, fast einen Meter neunzig groß und brachte sicher um die 170 Kilogramm auf die Waage.
Einem solch liebevollem Gemütsmenschen lief so schnell nichts aus dem Ruder.
Somit fürchtete er auch nicht um ihre Stellungen im Hause Hingsley.
Er würde, wie bisher Sir Arthur, auch jedem kommenden Lord die selbe Hilfe sein, so lange er lebte. Eines allerdings beunruhigte auch ihn etwas. Man schwatzte, der junge Lord habe eine etwas zweifelhafte Herkunft. Sollte er dadurch weniger Lord sein? Lord blieb Lord. Es verblieben noch einige Stunden, bis der neue Herr von Hingsley eintreffen würde. Spätestens dann wüßten alle hier mehr. Speziell dachte er dabei auch an die ehrgeizigen, selbstsüchtigen Nachbarn, deren kriecherischer Speichelleckerei der seelige Sir Arthur eine deutliche Abfuhr erteilte, als er ihnen die ausgekohlten Schächte vermachte. Ganz schön durchtrieben. Aber noch stellten sie eine Gefahr dar. William Mainlay fand immer einen mehr oder minder rechtschaffenen Weg Geld zu scheffeln und seine Schwester Beatrice spielte dabei eine keineswegs untergeordnete Rolle. Jeremias glaubte nicht wirklich, daß sie seine Schwester war. Aber das ging ihn nichts an. Auf alle Fälle würde er gut daran tun, den jungen Lord zu warnen. Falls Sir Charles nur ein wenig bei Verstand war, würden die Geier mit Sicherheit abblitzen.
Bislang war er nicht nur Butler des Lords sondern zunehmend auch Berater gewesen und somit eingeweiht in die meisten Transaktionen seines Herrn. Das genaue Vermögen wußte aber auch er nicht einzuschätzen. Sir Arthur wußte es aber stets mit angemessener Nächstenliebe zu bewahren und zu mehren. Er war ein umsichtiger und gütiger Mensch.
Was würde nun auf alle hier zukommen?
Die Zeiger der Uhr klammerten sich krampfhaft an jede Minute.
Jeremias goß sich einen doppelten Scotch ins Glas und verdünnte ihn mit etwas Soda. Eigentlich war dies nicht seine Art, während des Dienstes zu trinken, aber er suchte die Beruhigung, die ihm dieser liebliche Tropfen schenkte. Seine Zunge liebkoste den sanften Tropfen, der ihm langsam durch die Kehle rann und er genoß die aufsteigende Wärme in seinem Hals, bis der Geschmack des Rauchs und der Fässer seinen Gaumen erreichte. Das war noch echter Whisky.