Zeugnis der Wandlungen 3

Das war schon fast zu einfach. Der Senat fraß ihm aus der Hand.

Sein Imperium – ja mittlerweile konnte er es wohl so betrachten – würde ein neuerliches Gesundschrumpfen erfahren, um daraus gestärkt hervor zu gehen. Nunja, Rauswürfe hatte der Senat abgelehnt, ihm aber sonst freie Hand gelassen. Wie weitsichtig. Seiner Kehle entrang sich ein Kichern. Ich werde also Mitglieder schlicht bitten, ihren Hut zu nehmen. Das war nicht willkürlich.
Die Auswahlverfahren für Neulinge würden härter werden und die Regeln wurden geändert. Viel Abstimmung brauchte es dafür gar nicht. Ganz so, wie er es früher einmal mochte. Die Regeln besagten nun auch, dass das Recht auf grundlose Trennung vom Imperium beidseitig manifestiert war.
Ein zweites Kichern.
Willkür braucht es nicht, wenn man konsequent aussieben durfte. Er liebte es, die Regeln seinen Bedürfnissen anpassen zu können, die letztlich aber auch die Bedürfnisse des Imperiums darstellten. Der Senat wusste dies nur noch nicht.

Die Ausbildung einiger weniger schien abgeschlossen und es zog sie nun doch regelkonform ins Universum hinaus. Weniger Mäuler zu füttern… Weniger Leute, weniger Angriffsfläche…
Doch die militärische Macht der GN schwächte dies nun nachhaltig, während die Intensität der Angriffe von außen immer noch spürbar zunahm.

Zogen ins Universum hinaus… Nun, ganz ohne diplomatische Hintergedanken zogen sie nicht. Ja, der Lieutenant General hatte nichts verlernt. Hatte er seine Karriere schon zu lange anderen überlassen? Sich treiben lassen? Vermutlich war es an dem. Doch damit musste Schluss sein. Das Gefühl vor der Ratsversammlung und im Senat zu sprechen war einfach unvergleichlich.
Macht war unvergleichlich. Unvergleichlich berauschend. Da konnte kein Magumisches Ale und kein Ozoidischer Lykra mithalten.

War es schon Zeit für einen weiteren Schritt? Nein, vermutlich nicht. Es fehlten noch sämtliche, wirksamen Druckmittel, die er vor langer Zeit einmal in seinen Händen hielt.

Er musste sich einmal mehr auf sein diplomatisches Geschick verlassen. Reden konnte er bekanntlich…

Wenn es einen Weg gäbe, die Angriffe auf die Generatio Nova weiter zu reduzieren, ohne aller Welt ein Bündnis abzuringen, wäre dies wohl der größte, diplomatische Erfolg seiner Laufbahn. Wenn… verdammter Konjunktiv.
Doch Legomann wäre nicht Legomann, wenn er sich nicht zumindest ein Ass im Ärmel einreden könnte.

Er wandte sich dem Kommunikator zu. Als sich sein Adjutant meldete, bat er ihn, ihm einen diplomatischen Kanal zu öffnen. Mal schauen, ob wir in der Lage sind zumindest mit diesem Bündnis erfolgreich zu sein, bevor wir es irgendwann vielleicht ohne solche sein werden.


Ein Rücktritt vom Amt des Senators? Das sind unvorhergesehene Entwicklungen. Legomann hielt den formellen Text in seinen Händen und mochte seinen Augen nicht trauen.
Nun, wirkliche Freude konnte er nicht empfinden. Der General war stets ein loyaler Mitstreiter, auf dessen Unterstützung man jederzeit bauen konnte. Ausstechen oder gar vertreiben hatte er ihn nie wollen.

Auf der einen Seite formt man fruchtbare Bündnisse, verschlankt das System und dann laufen einem die Leute weg. Er war ganz sicher nicht zu offensichtlich vorgegangen.

Obwohl er dem Zeug nicht mehr verfallen wollte, nahm er sich nun doch ein Magumisches Ale aus der Bar, prostete sich im Vitrinenspiegel zu und leerte das Glas in einem Zuge.

„Ich muss wohl umdisponieren.“ sagte er zu sich. Sein Vorhaben konnte so um viele Wochen, wenn nicht Monate zurück geworfen werden, wenn er keinen adäquaten Ersatz fand…


„Sir! Unser kleines Ausbildungsgeschwader wurde nach einem Notstart aufgerieben.“
„Ja, Colonel, das ist mir zu Ohren gekommen. Hat das Oberkommando mal wieder einem Neuling den Befehl überlassen?“
„Das ist korrekt, Sir.“
„Ich fürchte, ich muss in diesem Laden einmal gründlich aufräumen“, sagte Legomann mehr zu sich als zu seinem Untergebenen.

„Sir! gestatten Sie mir, mich zurück zu ziehen. Ich habe noch dienstliche Verpflichtungen heute abend.“
„Selbstverständlich, Colonel.“ Legomann sah kurz auf und gönnte Colonel Jar ein knappes Lächeln.

Nachdem der Colonel sein Quartier verlassen hatte, verfiel Legomann wieder ins Grübeln.
Die internen Ressourcennachschübe konnten als gesichert betrachtet werden. Alle Bunker waren nun auf die maximale Kapazität ausgebaut und gut gefüllt. Die Produktion gefragter Güter ging gut voran und das Gros der imperialen Mitstreiter stand geschlossen hinter ihm.
Wenn man so viele Ziele erreicht hatte, musste man sich höhere stellen. Doch genau hierzu brauchte es mehr als ein Dutzend Getreuer, wenngleich er deren Mitwirkung nicht missen mochte.

In den vergangenen Tagen hatte er seinen imperialen Stab verstärkt. Es freute ihn ungemein, dass ihm das Oberkommando in diese Entscheidungen nicht hineinzureden vermochte.
Wenn alles gut verlief, würde man in den kommenden Tagen wieder angemessen auf Provokationen und hinterlistige Angriffe reagieren können.

Bis dahin blieb einzig der diplomatische Weg, um wieder Ruhe in die Sektoren der jungen Herrscher zu bringen. Dann kann sich die Generatio Nova wieder mit Recht Imperium nennen und die von Aggressoren geplante Rolle als Opferlamm abschütteln.

„Vielleicht sollten wir auch unsere Schattenbündnisse aktivieren…“, sagte Legomann in den leeren Raum. Mit einem Schmunzeln wandte er sich dem Kommunikator zu und gab eine der nur ihm bekannten Geheimcodes zum Verbindungsaufbau ein.
Nach einigen Augenblicken baute sich der Bildschirm auf und das Gesicht eines mächtigen Herrschers erschien, der einst durch seine harte Schule gegangen war.

Legomann sah seinem virtuellen Gegenüber in die Augen. Sein Schmunzeln wurde breiter und wandelte sich zu einem Grinsen:
„Sei gegrüßt, Du alter Haudegen…“